Ein Jahr nach den Erdbeben in der Türkei sind die meisten Ruinen abgerissen und Schuttberge geräumt. Geblieben sind seelische Narben und ein hoher Bedarf an Wohnraum: „In den Provinzen Adiyaman oder Hatay, die besonders stark betroffen waren, steckt ein umfangreicher Wiederaufbau noch in der Anfangsphase“, berichtet Umutcan Yüksel, Programm-Koordinator der Diakonie Katastrophenhilfe für die Türkei. Allein in Hatay leben noch immer rund 300.000 Menschen in provisorischen Notunterkünften. In informellen Siedlungen sind das vor allem dünnwandige Container und Zelte. „Das ist aktuell bei Regen und winterlichen Temperaturen eine enorme Zumutung. Das ruft bei den Menschen die traumatischen Wochen nach den Erdbeben in Erinnerung. Viele leiden an Depressionen und Angstzuständen. Den Menschen, mit denen ich gesprochen habe, ist die Not in ihren Gesichtern deutlich anzuerkennen“, so Umutcan Yüksel.
Vor allem syrische Geflüchtete leben in schlecht ausgestatteten Containercamps oder informellen Siedlungen. Rund zwei Millionen Geflüchtete hatten innerhalb des türkischen Erdbebengebiets Schutz vor dem Bürgerkrieg in ihrem Heimatland gesucht gehabt, als auch sie die Naturkatastrophe traf. „Der Verlust von Angehörigen und einem sicher geglaubten Umfeld hat bestehende Traumata vertieft. Unsere lokale Partnerorganisation hat spezialisierte psychosoziale Teams im Einsatz und verstärkt diese wichtige Arbeit mit syrischen und türkischen Betroffenen“, sagt Umutcan Yüksel. Mitarbeitende von Hayata Destek (Support to Life - STL) leisten Hilfe für die mentale Gesundheit und unterstützen bis hin zur Suche von Unterkünften.
Auch bei der Grundversorgung bestehen weiter Defizite. In informellen Siedlungen existiert oft keine adäquate Wasser- und Sanitärversorgung. Zu viele Familien müssen sich zu wenige Sanitäranlagen teilen. „Das begünstigt die Ausbreitung von Krankheiten und gefährdet die Gesundheit“, sagt Umutcan Yüksel. Im zurückliegenden Jahr hatte die Diakonie Katastrophenhilfe mit STL zunächst Zelte, Matratzen und Decken verteilt. Es folgten Latrinen-Blöcke, mobile Duschen und Trinkwassertanks für rund 30.000 Menschen. Neue sanitäre Anlagen werden in den kommenden Monaten errichtet und bestehende Einrichtungen instandgesetzt. Parallel erhalten Betroffene vor allem jetzt im Winter Bargeldhilfen, denn: „Die lokalen Märkte haben sich erholt. Bargeldhilfe kann dazu beitragen, die lokale Wirtschaft wiederzubeleben. Die Menschen entscheiden selbst, was sie am dringendsten benötigen“, sagt Umutcan Yüksel. Heizmaterial, Nahrungsmittel oder Kleidung stehen dabei ganz oben.
In Syrien hatten sich Nahrungsmittelpreise nach den Erdbeben binnen weniger Monate verdoppelt. Bargeldhilfen und Gutscheine für Hunderte Familien helfen auch dort, die Not zu überbrücken und die lokale Wirtschaft zu stützen. „Sogenannte Cash for Work-Programme leisten zusätzlich einen wichtigen Beitrag in zweierlei Hinsicht“, erklärt Hannah Sausen, Projekt-Verantwortliche der Diakonie Katastrophenhilfe für Syrien. „Unsere Partner haben Betroffene beispielsweise im Schneiderberuf ausgebildet. Sie erhielten im Rahmen der Ausbildung für das Nähen von Winterkleidung ein eigenes Einkommen. Die produzierte Kleidung verteilten unsere Partner dann vor allem an Kinder“, erklärt Sausen. Mehr als 20.000 Menschen erhielten auf diese Weise wärmende Kleidung.
Zusammen mit der syrischen Partnerorganisation GOPA-DERD werden zusätzlich rund 150 Wohnungen für Familien saniert und hergerichtet, da der Mangel an bezahlbarem und sicherem Wohnraum extrem hoch ist. Zahlreiche Familien erhalten zudem Mitzuschüsse, um sich ein Dach über dem Kopf leisten zu können. Wie auch in der Türkei steht die psychosoziale Hilfe in den kommenden Monat im Fokus. „Neben der Arbeit auf Gemeindeebenen kümmert sich unser Partner verstärkt um Einzelfälle, die kaum unterstützt werden. Wir können die Menschen auch in abgelegenen Regionen nicht mit ihrer traumatischen Last aus Bürgerkrieg und Erdbeben alleine lassen“, sagt Sausen.
Zahlen zu Spenden und Projekten:
Im Rahmen der Erdbebenhilfe Türkei und Syrien erhielt die Diakonie Katastrophenhilfe knapp 22,5 Millionen Euro Spenden. 8,5 Millionen Euro kamen davon aus dem Aktionsbündnis Katastrophenhilfe. 20 Millionen Euro sind in umgesetzte sowie laufende Projekte geflossen und für geplante neue Projekte vorgesehen. Insgesamt erreichten die Maßnahmen im Jahr 2023 mehr als 164.000 Menschen in der Türkei und Syrien. In der Türkei setzt die Diakonie Katastrophenhilfe zusätzlich ein Nothilfe-Projekt mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union um (ECHO).
Um Menschen vor Katastrophen wie Erdbeben weltweit besser zu schützen, bittet die Diakonie Katastrophenhilfe um Spenden:
Diakonie Katastrophenhilfe, Berlin
Evangelische Bank
IBAN: DE68 5206 0410 0000 5025 02
BIC: GENODEF1EK1
Stichwort: Katastrophenhilfe weltweit
Online unter: www.diakonie-katastrophenhilfe.de/spenden/
01.02.2024
Erdbebenhilfe wird fortgesetzt
Ein Jahr nach den Erdbeben in der Türkei sind die meisten Ruinen abgerissen und Schuttberge geräumt.